Die Geschichte der Augsburger Straßenbahn
Das Straßenbahnnetz wird größer
Der erste Weltkrieg führte auch in Augsburg dazu, dass ein erhöhter Transportbedarf für die in den Rüstungsbetrieben beschäftigten Arbeitnehmer bestand. Gleichzeitig wurde aber auch ein Teil des Fahrpersonals zum Heer einberufen, was zur Folge hatte, dass man nun auch Frauen beim Verkehrsbetrieb beschäftigte. Beförderte man 1914 bereits über 12 Millionen Fahrgäste, so steigerte sich diese Zahl bis zum Kriegsende 1918 auf über das doppelte, nämlich 24,6 Millionen Fahrgäste. Die starke Nachfrage führte dazu, dass man auch während der Kriegsjahre trotz Materialmangel das Augsburger Liniennetz ausbaute, neue Linien wurden gebaut, bestehende Linien wurden verlängert oder in ihrer Streckenführung geändert.
Als völlig neue Linie entstand bis Oktober 1915 die Linie 5, deren Streckenführung vom Senkelbach über die Sebastianstraße zur Barfüßer Brücke ging, welche ein erster Abschnitt einer letztlich nie entstandenen Ringlinie sein sollte. Diese neue Linie war vor allem für die Beschäftigten der MAN wichtig und wurde auch von diesen entsprechend genutzt. Diese neue Linie war eingleisig mit Ausweichen angelegt und hatte eine Länge von 2,38 Kilometern. Abermals verlängert wurde die Linie 1, ein Kilometer Strecke wurde von der Leitershofer Straße bis zum Westfriedhof gebaut und im März 1916 in Betrieb genommen. Auf dem Lechhauser Ast der Linie baute man am Schmiedberg eine 300 Meter lange Strecke, von 1918 an fuhr die Linie 1 stadtauswärts über den Perlachberg, stadteinwärts dann über den Schmiedberg.
Auch die Linie 4 bekam in diesen Jahren eine neue Streckenführung. Fuhr sie bis 1916 über Predigerberg und Bäckergasse, so änderte sich das durch eine kurze Neubaustrecke. Fortan fuhr die Linie 4 in der Maximillianstraße und am Milchberg, die Strecke über den Predigerberg und die Bäckergasse wurde stillgelegt und abgebaut.
Nachdem als Folge des Kriegs die Lechwerke bereits ab 1916 den Fahrstrom lieferten, nach dem Krieg aber der Strombedarf weiter stieg, baute man 1921 am Wertachkanal ein neues Kraftwerk. Noch während des Krieges waren bereits 19 neue Triebwagen sowie 6 neue Beiwagen gekauft worden, was zur Abstellung von 22 Wagen der ersten Bauserie führte. Im Jahr 1919 beförderte die Augsburger Straßenbahn 32,4 Millionen Fahrgäste, die positive Entwicklung der Fahrgastzahlen brachte die Planung weiterer Strecken mit sich. Hierfür beschaffte man bereits 1920 weitere 20 Triebwagen, welche im Gegensatz zu den bisherigen Fahrzeugen vierachsig waren. Im selben Jahr beschaffte man auch 10 zweiachsige Beiwagen.
Die neuen Fahrzeuge benötigten natürlich auch Platz zum abstellen, deshalb erwarb man 1920 die leer stehende Halle des ersten Augsburger Bahnhofs an der Strecke Augsburg - München. Hier wurde auch die Werkstätte vom Depot Senkelbach hin verlagert, da dort die Platzverhältnisse zu beengt waren. Mit dem Bau einer weiteren Wagenhalle im Jahr 1928 in Lechhausen kam der Bau von Depots zum Abschluss, für den Betrieb standen damit nun genug Abstellmöglichkeiten zur Verfügung. In der ehemaligen Wagenhalle Lechhausen befinden sich heute übrigens die meisten Museumsfahrzeuge.
Trotz der angespannten Lage nach dem 1. Weltkrieg wurden 1920 einige Strecken neu gebaut bzw. wurden Strecken ausgebaut. Eine Linie, die auch wieder in der heutigen Zeit für kontroverse Debatten gesorgt hat, war im Juni 1920 der Neubau der Linie 6 vom Milchberg über den Heuweg zur Hochzoller Brücke. Ein weiterer Neubau war die Verlängerung der Linie 4 um 3,1 Kilometer vom Protestantischen Friedhof zum Zollhaus, diese Haltestelle heißt heute Siemens. Vom Zollhaus ging auch noch eine Ausflugslinie in die Ilsungstraße zum Siebentischwald, dort gab es sogar eine Wendeschleife! Ebenfalls neu gebaut wurde eine zweigleisige Strecke von der Viktoriastraße über die Frölichstraße zum Klinkertor. Diese 600 Meter lange Strecke sollte ein weiteres Teilstück der geplanten, aber nie verwirklichten Ringlinie darstellen. Benutzt wurde es von der Linie 4, die ihre Endstelle dann vom Hauptbahnhof zum Klinkertor verlegte. Beide letztgenannten Strecken in der Ilsung- und der Frölichstraße sind längst abgebaut und in Vergessenheit geraten. In der Wertachstraße wurde die Strecke zweigleisig ausgebaut, ebenso die Strecke in der Maximillianstraße ab Herkulesbrunnen bis zur Margarethenstraße.
Auch in den folgenden Jahren wurde das Netz der Augsburger Straßenbahn weiter ausgebaut. So wurden etliche Streckenabschnitte zweigleisig gebaut, die Zeittafel listet detailiert die einzelnen Projekte auf. Ein beachtenswerter Ausbau erfolgte 1927 bei der Linie 4, hier wurde die Straßenbahn bis in den Ortskern von Haunstetten verlängert. 1928 wurde für die Linie 6 eine Gleisschleife in der Halderstraße gebaut und in der Eserwallstraße wurde wieder ein Gleis verlegt, nachdem es ja Anfang des Jahrhunderts abgebaut worden war. Dieses Mal hat man dann gleich ein Doppelgleis in Straßenmitte gebaut.
Beim 50jährigen Jubiläum der Augsburger Straßenbahn 1931 waren mit den erfolgten Ausbauten des Liniennetzes folgende Betriebslängen erreicht worden:
Linie 1: 6,742 Kilometer
Linie 2: 8,089 Kilometer
Linie 3: 4,308 Kilometer
Linie 4: 10,077 Kilometer
Linie 5: 2,380 Kilometer
Linie 6: 4,435 Kilometer
Die gesamte Betriebslänge betrug 36,029 Kilometer, die Gleislänge belief sich auf 53,466 Kilometer. Der Wagenpark bestand nach Ausmusterung älterer Wagen aus 64 vierachsigen und 14 zweiachsigen Triebwagen sowie 47 zweiachsigen Beiwagen. Im Plandienst wurden täglich 50 Triebwagen, 24 Beiwagen und 10 Einlagewagen eingesetzt.
Die Wirtschaftskrise führte 1931 zu einschneidenden Änderungen bei der Betriebsführung. Die Linie 4 wurde statt über Milchberg nun über die Eserwallstraße geführt, die Linie 5 verkehrte nur noch im Berufsverkehr. Auch die Linie 3 wurde verkürzt, eine neue Linie 7 auf verkürzter Strecke zwischen Bahnhof Oberhausen und Villa Afra eingerichtet. Somit wurde die Linie 2 nur noch von jedem zweiten Kurs in voller Länge befahren. Ab 1934 wurden wegen des Wirtschaftsaufschwungs alle Einschränkungen wieder aufgehoben, nur die Linie 4 verblieb auf der Strecke in der Eserwallstraße. In diesem Jahr wurde die Linie 6 auch bis zur Zugspitzstraße in Hochzoll verlängert, ebenso erfuhr die Linie 4 einige Ausbaumaßnahmen. 1937 erprobte man zwei sogenannte Schwendwagen, die Ergebnisse dieser Erprobung waren durchweg positiv, deshalb beschaffte man dann 12 neue Triebwagen und 22 neue Beiwagen.
Zu Beginn des 2. Weltkriegs im September 1939 waren die Verkehrsbetriebe also gut ausgerüstet. Da in Augsburg wichtige Rüstungsindustrie angesiedelt war, wuchsen die Beförderungsleistungen in den Kriegsjahren rasant an, was man auch in nebenstehender Tabelle ersehen kann. Nahezu alle Fahrzeuge waren im täglichen Einsatz, was natürlich auch einen höheren Verschleiß am Fahrzeugpark mit sich brachte.
Trotz aller kriegsbedingten Schwierigkeiten konnte der Betrieb bis 1944 aufrecht gehalten werden. Durch die Bombardierung Augsburgs am 26./27. Februar 1944 änderte sich die Situation völlig. Die Hauptwerkstätte sowie die Wagenhalle Senkelbach wurden völlig zerstört, mehrere Triebwagen wurden ebenfalls zerstört, andere Wagen mehr oder weniger beschädigt. Auch im Gleisnetz waren große Schäden entstanden, welche aber relativ schnell zumindest provisorisch behoben werden konnten. Weitere Luftangriffe im Kriegsverlauf zerstörten unter anderem die Pferseer Unterführung, die Gögginger Brücke und die Wertachbrücke, was zu einer Zerstückelung des Betriebs führte. Soweit möglich führte man einen Inselbetrieb durch oder setzte Pendelwagen ein. Am Ende des Krieges wurden dann noch 26 Wagen als Panzersperre zweckentfremdet, Augsburg kapitulierte kampflos am 28. April 1945. An diesem Tag wurde der Betrieb der Augsburger Straßenbahn bis auf weiteres eingestellt.
Quellennachweis der gezeigten Bilder
Bilder: Sammlung FdAS
Grafik: Walter König